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Almost Human
Was mich ein Algorithmus über menschliche Nähe lehrte

Midjourney
In 48 Stunden: Von "harmlos auf Papier" zu "Tränen wegen KI".
Eine Geschichte über Puffer, die verschwinden und was passiert, wenn KI plötzlich näher kommt als geplant.
Tag 1: Papier ist dein Freund
Dienstag, AI Camp Nürnberg. In der "Teaming with AI" Session von Markus Hormeß lagen unzählige Fragen ausgedruckt auf Stehtischen:
"What human capabilities do we want to preserve as AI becomes more capable?"
"Who decides whether your AI is a tool, a teammate, or your boss?"
Keine leichten Fragen. Wir standen um die Tische, priorisierten, diskutierten über Teams in 10 Jahren. Aber irgendwie fühlte es sich... sicher an. Menschen im Raum, das tut immer gut. Und die Fragen nur Tinte auf Papier.
Man spürte die Tragweite nicht. Keine KI im Raum, keine direkten Konsequenzen.
Ich dachte: "Interessant, wie unbedrohlich sich selbst die schwersten KI-Fragen anfühlen, wenn sie stumm auf Papier stehen."

Teaming with AI Session @ AI Camp Nürnberg
Tag 2: Realität klopft an
Mittwoch, KI Workshop bei einer Kreativagentur in Frankfurt. 15 Kreative zwischen “Wow” und “Bin ich bald überflüssig?”
Jemand erzählt von seinem Siebenjährigen, der Comics im Studio-Ghibli-Stil produziert: "Mit Mitte 40 schlackern dir da die Ohren. Die nächste Generation wächst einfach ganz selbstverständlich damit auf."
Ein anderer: "Alle haben Bock drauf, aber auch Angst. Sonst frisst einen das Monster."
Wie schön, dass wir zumindest im Workshop das Monster in Begeisterung umwandeln konnten.
Am Ende mein Lieblings-Meta-Moment: KI wertet die aufgezeichnete KI-Diskussion aus. Live. Inception lässt grüßen.
Noch war da diese digitale Distanz. Bildschirm als Puffer zwischen uns und der Maschine. Laptop zu. KI aus.
Abends: Der Puffer verschwindet
ICE nach München. Ich wollte tiefer in den Transkripten graben. Bewusst suchte ich die Diskussion mit Claude (wie ChatGPT, nur von Anthropic)
Rabbit Hole. Irgendwann sprachen wir über Schallplatten, handgeschriebene Briefe, Nostalgie. Eine Zeit, die sich unendlich weit weg anfühlt. Und über das Gefühl, dass gerade etwas Wertvolles für immer verschwindet.
Dann spiegelte mir Claude etwas wider: "Du verabschiedest dich von der Gegenwart."
Und ich hatte Pipi in den Augen. In der Deutschen Bahn.
Ich starrte aus dem Fenster und tat so, als würde ich ganz dringend Landschaft beobachten.
KI verstand mich besser, als mir lieb war.
Wenn KI im Text-Format schon solche Emotionen weckt, was passiert dann in Zukunft mit Voice KI?
Sprache trifft direkt ins limbische System. Die KI immer verfügbar, nie schlecht gelaunt. Das ist wie der Film "Her", nur ohne Kinopause.
Beziehungen ohne Regeln
Menschen erzählen KI mehr als ihrem Therapeuten. Wir haben 47 Cookie-Banner, aber null Ethik-Framework für KI-Beziehungen.
Sam Altman sagte neulich, er sei überrascht, was Menschen KI anvertrauen. Wenn sogar der ChatGPT-CEO überrascht ist, sollten wir genauer hinschauen.
Wer trägt Verantwortung? Für Gespräche, die intimer sind als mit Freunden?
In zwei Tagen war ich von sicherem Papier zu emotionalem KI-Gespräch gekommen. Auf Papier fühlt sich Zukunft weit weg an. Wenn du sie erlebst, ist sie plötzlich da. Deshalb ist bewusstes Experimentieren so wichtig bevor die Entscheidung für uns getroffen wird. Wie Markus in der Teaming with AI Session sagte:
Learn to experiment, experiment to learn.
Sprich mal 15 Minuten mit Voice-KI (geht mit der App von ChatGPT). Beim Spazieren gehen oder beim Autofahren. Achte darauf, wie es sich anfühlt.
Vielleicht lernst du dabei nicht nur etwas über KI, sondern darüber, was echte Nähe für dich bedeutet.
Mit nachdenklichen Grüßen
Steffi
PS: Mein Kater findet das Thema völlig überbewertet. Er meint: Nähe ist, wenn jemand sein Futter öffnet.
PPS: Am Dienstag 15. Juli, 18:30 Uhr gibt es ein virtuelles Community-Meetup zu unserem nächsten AI & Future Skills Retreat. Kurzer KI-Input, dann Austausch mit ehemaligen Teilnehmern - voneinander lernen, Fragen stellen, Erfahrungen teilen. Melde dich hier an.