Der Luxus der Langsamkeit

Meine kleine Rebellion gegen die KI-Beschleunigung

Sam Altman, CEO von OpenAI, schreibt in seinem neuesten Blog:

"We are past the event horizon; the takeoff has started."

Die Welt wird exponentiell schneller. Jeden Tag neue KI-Durchbrüche.

2025: Agenten.
2026: Novel insights.
2027: Roboter in der echten Welt.

Und ich? Ich bin letztes Wochenende mit Ben einfach losgefahren Richtung Süden. Ohne Plan. Ohne App. Ohne Prompt.

Das ist meine kleine Rebellion gegen "The Gentle Singularity" -  Altmans Begriff dafür, dass die KI-Revolution bereits rasant läuft, sich aber überraschend normal anfühlt, weil wir Menschen uns so schnell daran gewöhnen.

Nach den letzten Monaten Daily KI hatte ich was man wohl “decision fatigue” nennen kann. Mein Gehirn war müde vom ständigen Optimieren, Auswählen, Verfeinern.

Altman hat recht: "Wonders become routine, and then table stakes." Was gestern unmöglich war, ist heute Standard.

Aber irgendwann dachte ich mir: Was, wenn ich mal nicht will, dass alles schneller wird?

Ben und ich waren uns sofort einig: Road Trip. Timmelsjoch statt Brenner. Landschaft statt Effizienz.

Molveno. Der Hotelbesitzer empfahl eine Wanderung: "Pradel, dann Rifugio Selvata. Schöne Route. Geh ich mit meiner Fünfjährigen."

Also sind wir los. Mit analoger Wanderkarte in der Hand. Ohne Komoot. Ohne ChatGPT-Research über Schweregrade und exponierte Stellen.

Die Stelle

25 Grad, Berg Panorama wie im Bilderbuch. Und dann ging's um die Kurve.

Schmaler Pfad am Abhang. Drahtseil. Ich mit Höhenangst.

Mein erster Gedanke: Hätte ich das vorher gewusst - gegoogelt, gecheckt, validiert - ich wäre zu Hause geblieben.

Mein zweiter: Was für ein verrückter Vater! Dann fiel mir seine Garmin-Uhr ein. Hätte ich wissen müssen…

Aber ich war da. Also habe ich mich auf meine Atmung konzentriert. Ein. Aus. Die Angst praktisch weggeatmet.

Für irgendwas müssen meine täglichen Klimmzüge ja gut sein. Falls das Seil reißt oder so…

Schritt für Schritt. Hand am warmen Metall. Und dann: geschafft.

Ich war stolz. Hätte ich vorher gewusst, was mich erwartet - ich hätte nie entdeckt, dass ich das kann.

Während KI-Systeme "two or three times more productive" machen, habe ich während unseres Trips das Gegenteil gesucht: bewusst weniger produktiv sein.

Entscheidungen aus dem Bauch treffen. Unsicherheit aushalten. Nicht sofort checken, optimieren, validieren.

Mein Bauchgefühl meldete sich zurück. War eingerostet von zu viel Kopf-Arbeit.

Altman schreibt: “Intelligence too cheap to meter is well within grasp.“

Ich denke: Manchmal ist Nichtwissen unbezahlbar.

Dein Langsamkeits-Experiment

Während die Welt beschleunigt, kannst du bewusst bremsen:

  • Ein Tag pro Woche ohne AI (AI freier Freitag ;-) 

  • Eine Route ohne Google Maps.

  • 10 Minuten "einfach da sitzen" - ohne Handy, ohne Plan

Altman hat recht mit seiner Gentle Singularity. Aber manchmal braucht unser Gehirn das Gegenteil. In unserer beschleunigten Welt wird bewusste Langsamkeit zum Luxus.

Was wirst du diese Woche bewusst langsamer machen? 

Mit entschleunigten Grüßen,
Steffi

PS: Ben schaut schon nach passenden Road-Trip-Autos, um noch mehr Bergpässe langsam zu fahren. Ich wäre eher für Fahrrad oder Wandern. Einig sind wir uns aber: Keine Autobahn. Kein Plan. Einfach los.

PPS: Im letzten Newsletter hat sich ein Fehler bei unserem nächsten AI Retreat Termin eingeschlichen. Es findet vom 17.-19. Oktober in Bad Kohlgrub statt (nicht 15.-17.10.). Bei Interesse gerne in die Warteliste eintragen.