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One Prompt Away
Die Kunst des rechtzeitigen Aufhörens
Worum geht’s?
Wann wird ein Prompt zur Falle?
Eine Geschichte über kaltes Essen, 49 Tabs und die Kunst, rechtzeitig aufzuhören.KI Skill für objektive Selbsteinschätzung deines Prompt-Verhaltens.

Quelle: Steffi Kieffer, Midjourney
Samstagabend. 20:49 Uhr.
Das Essen steht auf dem Tisch. "Es wird kalt", ruft Ben, mein Mann, aus der Küche.
„Komme gleich", murmele ich. Ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
49 Tabs offen. ChatGPT, Claude, Gemini, Midjourney. Alle zum selben Thema, nur mit unterschiedlichen Perspektiven. Ich bin mitten im Tunnel.
"Nur noch dieser Absatz... nur noch diese Quelle..."
One prompt away from greatness.
In Wahrheit: eine Endlosschleife. Ich opfere echtes Leben für eine Illusion von Produktivität. Noch in derselben Jogginghose wie am Morgen. Den ganzen Tag am Rechner. Aber gefühlt nichts geschafft.
Prompten ist das neue Scrollen
Kennst du das? Dieses absurde Gefühl, dass der nächste Prompt endlich den Durchbruch bringt, obwohl die letzten 20 bestenfalls "okay" waren?
Prompten triggert wie Social Media: Die Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse bringt jedes Mal mini-Dopamin-Schübe.
Man weiß, man sollte aufhören, aber die nächste Eingabe könnte ja DIE entscheidende sein...
Warum fällt uns Aufhören nur so schwer?
FOMO*: „Was, wenn der nächste Prompt die perfekte Lösung bringt?"
Perfektionismus: „Das geht noch besser."
Unsicherheit: „Bin ich auf dem richtigen Weg?"
Und so hänge ich in der Endlosschleife. Zwischen Produktivität und Selbstsabotage.
(*Fear of missing out)
The Art of Stopping
Im Haus der Kunst fällt mir Thich Nhat Hanhs Buch „How to focus" in die Hände.
If we cannot stop, we cannot have insights.
Wir reden viel über gute Prompt Skills, aber kaum über das Stoppen. Dabei beginnt dort oft der eigentliche Denkprozess: Verarbeiten. Einordnen. Integrieren.
Inzwischen kenne ich meine drei Stoppsignale:
Frust-Alarm:
Meine Stimmung kippt, ich meckere die KI an, besonders wenn sie auf einmal gute Elemente weglässt oder Dinge ungefragt komplett umformuliertQualitäts-Kollaps:
Ich überfliege generierte Inhalte nur noch, statt sie wirklich zu verstehen und zu bewerten. Die Ergebnisse klingen ja plausibel…Körper-Alarm:
Schultern total verspannt, keine Bewegung seit Stunden, flache Atmung. Eine volle Tasse kalt gewordener Tee neben mir.
KI Skill: Expert-Mirror-Prompting
Selbstbeobachtung mit KI
Das Problem:
Du merkst nicht, wann du produktiv bist und wann du nur noch im Kreis läufst.
Die Idee:
Die KI analysiert dein Verhalten objektiv - aus Expertensicht. Du sagst der KI einfach "Du bist [Expertenrolle]" und sie schlüpft in diese Rolle. Dann analysiert sie euren Verlauf aus dieser Perspektive.
Drei Rollen, drei Blickwinkel:
Der Effizienz-Coach:
Du bist Effizienz-Coach.
Analysiere unseren Chat: Welche 3 Prompts waren am wertvollsten? Ab welchem Punkt habe ich Zeit verschwendet?
Gib mir eine konkrete Stopp-Regel für nächstes Mal.
Der Verhaltens-Analyst:
Du bist Verhaltenspsychologe.
Erkenne Muster in meinem Prompt-Verhalten: Wann bin ich von produktiv zu perfektionistisch gewechselt?
Welche Warnsignale sollte ich beachten?
Der Produktivitäts-Berater:
Du bist Produktivitäts-Experte.
Bewerte unseren Chat: Was war mein stärkster Prompt?
Welche 2 Verbesserungen würden den größten Unterschied machen?
So wendest du es an:
Mittendrin: Hol dir Feedback, wenn du fest steckst.
Am Ende: Nutze alle drei Rollen zur Nachanalyse.
Beobachte: Welche Muster erkennst du?
Meine Learnings:
Ich bin angeblich eine produktive Perfektionistin, die sich in die Endlosschleife hinein optimiert….
Seit meiner KI Experten Analyse experimentiere ich mit verschiedenen Ansätzen:
Vor längeren KI Sessions überlegen, was "gut genug" ist
Alle 45 Minuten Bewegungspause und Checkin
Opportunitätskosten bewusst machen: Was wäre jetzt eine bessere Investition meiner Zeit?
Den "gut genug"-Moment feiern (Musik an und tanzen, oder einen Kaffee) und dadurch die Dopamin-Belohnung verschieben
FOMO umdrehen: "Was verpasse ich, wenn ich nicht aufhöre?"
Meine neue Realität
„Das Essen ist fertig", ruft Ben.
Früher hätte ich sofort 3 neue Prompts parallel an ChatGPT, Claude und Gemini rausgeschickt.
Heute: Laptop zu. Einatmen. Ausatmen.
Die KI ist morgen noch da. Das warme Essen nicht.
Mit glücklichen Grüßen,
Steffi
PS: Diesen Newsletter habe ich übrigens nach genau drei Schreibsessions beendet. Nicht, weil er perfekt ist, sondern weil er gut genug ist. Die vierte Session habe ich gegen Dehnübungen auf der Terrasse eingetauscht. Mein Kater lag dabei faul in der Sonne und hat mich angesehen, als wollte er sagen: "Endlich kapiert sie es." Katzen verstehen das mit dem bewussten Nichtstun übrigens seit Jahrtausenden.
PPS: Nächste Woche findet mein erstes AI Retreat statt. Vermutlich wird es da eine kurze Newsletter Pause geben - but I’ll try my best.