The Great AI Allergy

Wenn KI-Sprache das neue Fingernägel-auf-Tafel wird

Midjourney

Warum "here's the thing" jetzt Alarm in meinem Kopf auslöst und wie du trotzdem gut mit KI schreibst.

"Du klingst ja wie KI", sagte ich zu Ben, meinem Mann, letzte Woche auf der Terrasse.

Er war sichtlich irritiert. Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Aber er hat gerade "here's the thing" gesagt. Und etwas in meinem Hirn hatte ALARM geschlagen.

Ich scheine eine KI-Allergie entwickelt zu haben. Absurd, wenn man bedenkt, dass ich fast täglich mit ChatGPT und Co. arbeite.

Zuerst waren es Worte wie "delve" (vertiefen) und ein Tsunami an Emojis. Jetzt sind es diese "nicht X, sondern Y"-Konstruktionen und diese Gedankenstriche “—”. Ich musste tatsächlich googeln, wie man sie tippt: Shift+Option+Bindestrich. 

Ich kann nichts dagegen tun. Diese Muster lassen mein Gehirn sofort abschalten. Selbst wenn der Inhalt eigentlich gut sein könnte.

Mein Verge-Moment

Dienstagmorgen. Kaffee in der Hand. Ich lese - wie passend - “You sound like ChatGPT“ auf The Verge. Genau bis zu diesem Satz:

"But it's not just that we're adopting AI language... it's about how we're starting to sound."

Und mein Gehirn: ARTIFICIAL ALERT.

Ich konnte mich nicht mehr auf den Inhalt konzentrieren. Zu beschäftigt mit Musterjagd. KI-Paranoia beim Lesen über KI-Paranoia. Meta hoch drei.

Ich bin nicht allein

Natürlich tat ich das einzig Vernünftige: Alle 148 Kommentare gelesen...

Die Kommentare waren eine Goldgrube wilder Detektivarbeit. Menschen zerpflückten Paragraphen, verteidigten ihre Schreibgewohnheiten, warfen der Autorin vor, ChatGPT zu nutzen.

Ich machte sogar meine eigene Mini-Recherche und zählte Gedankenstriche wie eine Besessene.

  • Der aktuelle Artikel: 7 verräterische Striche.

  • Vier ältere aus 2022: jeweils 1-4.

Anscheinend ist das jetzt mein Leben…

Unser Gehirn sucht ständig nach Anzeichen, dass tatsächlich jemand hinter den Worten steckt. Wenn alles zu glatt wirkt, zu schablonenhaft, signalisiert unser Verstand: nope. Niemand zu Hause.

Das Problem: KI versucht oft, clever zu klingen, aber ohne wirkliche Substanz zu haben.

Also, was kannst du tun?

Kontext ist alles

Manchmal ist KI direkt aus der Box völlig okay. Schnelle E-Mail an den Steuerberater? Angebotserstellung? Nur her damit. Spar dir deine Energie für die Momente, wo es wirklich darauf ankommt. Ich nenne das inzwischen “Contextual AI”.

Wenn du Menschen (mit KI-Allergie) erreichen willst:

1. Schreib zuerst selbst 

Was ist deine tatsächliche Meinung? Schreib den chaotischen ersten Wurf, bevor die Roboter sich einmischen.

2. Nutze KI gezielt als Sparringspartner

Statt nach “Verbessere meinen Text” zu fragen, gib der KI eine Rolle:

  • Der Advocatus Diaboli: „Was ist das stärkste Gegenargument?“

  • Der erschöpfte Pendler: „Ich habe 30 Sekunden – was ist dein Punkt?“

  • Der verwirrte Außenstehende: „Warum sollte mich das interessieren?“

Das hilft dir, blinde Flecken zu erkennen und deinen Text aus anderen Perspektiven zu schärfen.

3.  Vermeide typische KI-Floskeln

Ergänze deine Prompts:

"Vermeide Satzstrukturen, die Erwartungen aufbauen und dann negieren (wie z.B. “'Es geht nicht um X, es geht um Y”). Verwende stattdessen direkte, bejahende Aussagen. Sei gerne kreativ mit Satzstrukturen."
"Wenn du ein Argument machst, liefere unterstützende Fakten für das Argument, anstatt ein Argument zu widerlegen, das niemand gemacht hat."

Weitere Rabbit Hole Links zum Thema:

Am Ende geht es darum zu wissen, welchen Ansatz man wann verwendet. Wann reicht KI aus der Box, wann braucht es den menschlichen Touch?

Der Verge-Artikel, der für meinen Geschmack zu sehr nach KI klang, war letztendlich doch ziemlich gut. Nur hatte ich ihn fast wegklickt wegen ein paar “—” Gedankenstrichen.

Ben interessiert sich übrigens null für Gedankenstriche oder Satzkonstruktionen. "Wenn der Text gut ist, wen kümmert es dann?", sagt er, unbeeindruckt von meiner linguistischen Detektivarbeit.

Vielleicht ist das der gesündere Ansatz.

Ich behalte aber meine Allergie. In einer Welt voller künstlicher Sachen fühlt sich ein bisschen menschliche Hypersensibilität fast wie eine Superpower an.

Mit allergisch frischen Grüßen
Steffi

P.S.: Statt: "It's not just that we're adopting AI language... it's about how we're starting to sound." Besser: "We're adopting AI language. Worse, we're starting to sound like it."

Ben sagt jetzt absichtlich "Here's the thing", nur um zu sehen, wie ich zucke. Meine Allergie ist zu seiner Unterhaltung geworden.

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